07.08.11

Wie Trophäenurteile generiert werden können

In seinem Buch "Brieffreundschaft mit einem Abzocker" beschreibt der Autor Andreas Sterntal anhand eines fiktiven Beispiels, daß sogenannte Trophäenurteile durch Absprache der beteiligten Parteien zu Stande kommen können.

Prozess oder Prozessbetrug, das ist hier die Frage

Heute ist der aufstrebende Internetunternehmer Dirk Katzenschwanz allerbester Laune, denn heute gegen 14:00h liegt das Urteil des Amtsgerichts Tuttlingen, das ohne Verhandlung am 17.02.2010 gefällt wurde, in seinem Briefkasten. Was ist geschehen, das ihn breitest über alle vorhandenen Backen grinsen lässt?

Nun, zunächst muss man ein wenig zurückschauen um herauszufinden, dass Dirk Katzenschwanz zusammen mit seinem Freund und Studienkollegen Thorsten Strauss so etwas wie eine Sonderstellung im Zirkel einnehmen. Einerseits betreibt ihr Kreis mit <hike2u.de> und <rooms4u.de> die kleinste Abonnementsfallenfamilie innerhalb des Zirkels, andererseits haben sie mit der Gründung des Inkassodienstes Deutsche System Inkasso GmbH, der offiziell von Thorsten Strauss in Hamburg betrieben wird, so etwas wie eine erweiterte Wertschöpfungskette geschaffen.

Die anderen Mitglieder des Zirkels wie zum Beispiel der Wiesbadener Mark Singvogel oder die Gebrüder Haufe hingegen bedienen sich des anwaltlichen Mahninkassos über den Rechtsanwalt Oliver Kretschmer und die von der Rechtsanwältin Mandy Gruber betriebene RAI Rechtsanwaltliche Inkasso GmbH, wollen und sollen aber auch in Zukunft variabel die Inkassostruktur der Deutsche System Inkasso GmbH nutzen, so ist es der ausdrückliche Wunsch des Systemchefs Gerd Melzer, dem an der breiteren Streuung des nachrangigen Inkassowesens gelegen ist.

Aber was nutzen die schönsten und leider auch teuren Strukturen eines Inkassodienstes, wenn der keine Munition zum Verpulvern hat. Die Anwälte haben den Vorteil ihres Berufs, der ihren Mahn- und Inkassoanschreiben den nötigen Nachdruck verleiht, beim potentiellen Empfänger für Angst und Schrecken zu sorgen, so dass ohne viel Nachdenken gezahlt wird, um den angekündigten Sanktionen zu entgehen.

Im Fall des Webseitenbetreibers Dirk Katzenschwanz und des von seinem Freund Thorsten Strauss betriebenen Inkassodienstes Deutsche System Inkasso GmbH sieht das schon anders aus. Zwar sind auch hier die Formulierungen knackig und markig gefasst, aber ein Inkassobüro ist halt kein Anwalt und hat somit bei Weitem nicht das Drohpotential, wie zum Beispiel das Mahn- und Inkassoanschreiben eines Rechtsanwalts.

Dieser Nachteil war beiden, Dirk Katzenschwanz und Thorsten Strauss eigentlich von Anfang an bewusst und beide haben lange darüber nachgedacht, wie denn dieser Nachteil auszugleichen wäre, bis vor ca. einem halben Jahr dem Thorsten Strauss, dem eigentlich pfiffigeren von den beiden, die leuchtende Idee kam und er, wie einst Archimedes aufsprang und rief „Heureka, ich habe es gefunden, wir machen Prozesse“.

„Wie, wir machen Prozesse?“ Dirk konnte seinem Freund noch nicht folgen, doch dieser war schon einen Schritt weiter: „Mönsch, denk doch mal nach, wenn Du mich verklagst, und ich von vornherein vorhabe zu verlieren, dann kannst Du doch nur gewinnen, oder?“ Dirk stand immer noch auf der Leitung: „Natürlich, wenn ich Dich verklage und Du verlierst, habe ich gewonnen, aber was eigentlich habe ich dann gewonnen?“
„Natürlich Deinen Prozess um die Bezahlung der auf Deinen Webseitenprojekten angebotenen Abonnements, Du Dummerchen. Stell Dir vor, ich würde auf Deinem Webseitenprojekt eine Anmeldung durchführen und Du verklagst mich vor einem Amtsgericht, wobei Amtsgericht von daher schon gut ist, als dass da kein Anwaltszwang besteht. Wie stelle ich das an, wenn ich mit aller Macht den von Dir angestrengten Prozess um die Abogebühren verlieren will?“

Thorsten schaute in Dirks fragendes Gesicht und merkte, dass er wieder mal die komplette Denkarbeit zu tun hat, weshalb er mit seinem Vortrag fortfuhr, ohne auf Dirks Begriffsstutzigkeit weiter einzugehen:

„Entweder ich erscheine nicht vor Gericht, weshalb ein Versäumnisurteil zu Deinen Gunsten ergeht, oder ich erscheine zu der mündlichen Verhandlung, sage aber dass ich die Kostenpflicht gesehen hätte und eigentlich zahlen wollte. Dann ergeht ein sogenanntes Anerkenntnisurteil, natürlich wieder zu Deinen Gunsten. Und die dritte Möglichkeit wäre die des vereinfachten Verfahrens, also wenn der Richter bei Streitwerten unter 600 Euro ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage entscheiden wollte und ich als Beklagter dem nicht widersprechen würde und nur unqualifizierten Mist in meiner Klageerwiderung hervorbringe.“

„Genial, und Du wirst Dich von mir so einfach verklagen lassen? Ich würde versuchen, den Rechtsanwalt Gerd Melzer mit der Klage zu beauftragen.“

Thorsten schaute ein wenig hilflos zur Decke, denn immer wieder kam es vor, dass sein Freund Dirk Katzenschwanz zu vernagelt war, um einen simplen Gedanken einfach fortspinnen zu können:

„Also erstens kannst Du doch nicht mich persönlich verklagen, wenn ich mit dem Urteil im Rücken, das nachrangige Inkasso durchführen soll. Dafür müssen wir uns jemanden suchen, aber irgendwen werden wir schon finden, der bereit sein wird, gegen ein entsprechendes Entgelt natürlich, sich verklagen zu lassen und sich entsprechend unseren Vorgaben zu verhalten und zweitens lass mal den Systemchef aus dem Spiel, den brauchen wir doch vor dem Amtsgericht gar nicht und außerdem könnte es doch sein, dass der unsere Idee gar nicht so prickelnd findet.“

„Also mit den Urteilen im Rücken, willst Du das Inkasso durchführen, so ähnlich wie die Mandy Gruber das schon mal gemacht hat?“

„Alter, nicht ganz so, wie die Mandy Gruber, die ja nur vermeintlich für sie günstige Urteile beigelegt hat, sondern echte und zielgerichtet generierte Urteile mit exakt Deiner WCO Media GmbH als Klägerin und Siegerin. Da brauchen wir auch nicht für uns ungünstige Passagen zu schwärzen, oder Seiten weglassen. Wir legen dann den Inkassoschreiben einfach Kopien unserer Urteile bei, damit sich die Leute das sich zweimal überlegen werden, unsere Inkassoschreiben zu ignorieren. Auge, da schießen wir uns eine ganze Trophäensammlung an Urteilen ab.“

Dirk konnte es immer noch nicht fassen, dass das so leicht funktionieren würde. Sein Freund Thorsten Strauss war da aber schon wesentlich schneller und hatte innerhalb kurzer Zeit eine kleine Anzahl handverlesener „Prozessverlierer“ aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis quer durch Deutschland rekrutiert. In der Regel kam es dann nicht mal zu mündlichen Verhandlungen, weil aufgrund der klaren Beweislage beziehungsweise den klaren Aussagen der „Prozessverlierer“ entweder die Kostenpflicht doch gesehen, oder den Widerspruch verspätet oder gar nicht abgesendet zu haben, den Richtern gar nichts anderes übrig blieb, als über das vereinfachte Verfahren Dirks Klagen statt zu geben.

Quelle: Auszug aus dem Buch "Brieffreundschaft mit einem Abzocker", mit freundlicher Erlaubnis des Autors Andreas Sterntal.